Überbrückungshilfe: “Die Strategie des Bundesbildungsministeriums ist es, nichts zu tun”

Moderation: Steven Hartig Redaktion: Cem Sarigül Gäste: Jonathan Dreusch

„Studenten sind keine Sozialbetrüger!“ Mit dieser Überschrift hat der Ring Christlich Demokratischer Studenten, kurz RCDS, vor wenigen Tagen eine Pressemitteilung veröffentlicht. Aufgeregt hatte sich die Hochschulgruppe über einen Facebook-Beitrag des FZS, des freien Zusammenschlusses der Student*innenschaften. Der FZS – ein Dachverband, der laut eigenen Angaben eine Million Studierende vertritt – hatte auf zwei eigene Job-Angebote aufmerksam gemacht, zumindest auf den ersten Blick.

Tatsächlich hat es sich gleichzeitig um eine Aktion gehandelt, um notleidende Studierende bei ihrem Antrag auf Überbrückungshilfe zu unterstützen. Der FZS versprach, allen Bewerber*innen, die keine der beiden Stellen bekämen, eine schriftliche Absage zukommen zu lassen. Denn solch eine Job-Absage sei für den Erfolg eines Antrags auf Überbrückungshilfe immer öfter entscheidend, wie Jonathan Dreusch aus dem FZS-Vorstand gegenüber Hertz 87.9 berichtet.

Im Gespräch mit Hertz 87.9-Redakteur Steven Hartig weist Jonathan Dreusch die Vorwürfe des RCDS als “völlig absurd” zurück. Weder würde der FZS Studierende zum Betrug aufrufen noch selbst Betrug begehen. “Wir schreiben hier echte Jobs aus”, sagt Dreusch. ” Und wir versprechen den Leuten eben auf jeden Fall eine Antwort zu bekommen.”

Von der jetzigen Überbrückungshilfe ist der Studierendenvertreter enttäuscht: “Wer wirklich unter Geldnot leidet, wird mit 500€ möglicherweise nicht über die Runden kommen. Zumal man ja den Höchstsatz auch nur bekommt, wenn man unter 100€ auf dem Konto hat.”

Kritisch bewertet Dreusch auch, wie die Überbrückungshilfe vergeben wird. In manchen Fällen seien Studierende, die im November wegen der Pandemie ihren Job verloren haben, aus Sicht der Studierendenwerke jetzt nicht mehr “pandemiebedingt in einer Notlage”. Diese Einschätzung halte er für “absonderlich”. Bisher wurden knapp 140.000 Anträge auf Überbrückungshilfe abgelehnt, das ist im Schnitt jeder dritte Antrag.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und ihr Ministerium würden darin glänzen, “nichts zu tun”, so Dreusch. Mit Blick auf die über eine Milliarde Euro BAföG-Mittel, die in den vergangenen beiden Jahren ungenutzt blieben, mahnt Dreusch: “Das Geld ist da!”. Wegen des niedrigen Organisationsgrades von Studierenden und ihres fehlenden sozialen Kapitals sei es für die Politik jedoch leicht, Studierende zu ignorieren.

“Ganz furchtbar” sei neben der finanziellen auch die psychische Situation vieler Studierenden. “Ich glaube, dass man sich von Anfang an – und auch immer noch, es ist nicht zu spät dafür – viel mehr Gedanken darüber hätte machen müssen: Wie ersetzt man eigentlich den sozialen Raum der Hochschule?” Die psychosozialen Beratungen der Hochschulen hätten nach Ansicht Dreuschs früh stärker unterstützt werden müssen.

Bis September könnt ihr noch jeden Monat per Online-Formular Überbrückungshilfe beantragen.