Big Brother Awards 2019

Letzten Samstag wurden wieder die Big Brother Awards von Digitalcourage e.V. verliehen. Den Negativpreis gibt es seit 19 Jahren für die größten Datensünder unter Firmen, Organisationen und Politiker*innen.

Zwei Preise gingen dieses Jahr in die Politik, davon einer an die hessische Landesregierung und einer an das europäische Institut ETSI. Ausgezeichnet wurden außerdem das Sprachanalyse Unternehmen PRECIRE Technologies GmbH, die Ahnenforschungs-Platform Ancestry.com und der Online-Auftritt der Zeit.

Der Publikumspreis für den Preisträger der besonders „beeindruckt, erstaunt, erschüttert, empört, …” hat, ging zum zweiten mal in Folge an die schwarz-grüne hessische Landesregierung und deren CDU Innenminister Peter Beuth.

Diese setzt nach Einführung eines neuen Polizeigesetzes (Big Brother Award 2018) auf dessen Basis die Datenverknüpfungs- und Auswertungssoftware „Hessen-Data“ ein. Abgesehen davon, dass der US-Geheimdienst nahe Softwarelieferant Palantir bei der Installation vollen Zugriff auf das System hatte, ist auch das System selbst mehr als unheimlich. Hessen-Data verknüpft Daten aus verschiedensten Quellen wie Polizeidatenbanken, Melderegistern, sozialen Medien oder Mesengern miteinander. Diese können dann in sekundenschnelle durchsucht und von Algorithmen analysiert werden. Durch das neue Polizeigesetz reicht allein die Vermutung, dass eine Person in Zukunft Straftaten begehen könnte, um Maßnahmen wie Fußfesseln oder die Installation von Trojanern anzuordnen. Im schlimmsten Fall also schon ein Programmierfehler im geheimen Algorithmus.

Kerstin Demuth, Campainerin und Redakteurin bei Digitalcourage finde diese Entwicklung sehr gefährlich:

Es handelt sich dabei um Symbolpolitik, das geschieht meistens mit dem Vorwand Sicherheit herzustellen, aber das Gegenteil ist in Wirklichkeit der Fall. [..] Die Daten werden automatisiert von Maschinen ausgewertet, und das ist eine Tendenz, die uns letztendlich auch entmündigt, [..] gerade wenn wir in den Code nicht rein schauen können.

Deshalb fordert Digitalcourage den Stopp von neuen und die Rücknahme einiger bestehenden Überwachungsgesetze.

Unter den andern Preisträgern stach die Laudatio von Digitalcourage Gründungsmitglied padeluun an Preisträger Zeit.de heraus, auch wegen seiner persönlichen Freundschaft zu Jochen Wegner von der Zeit. Dieser war übrigens auch der einzige, der seinen Preis persönlich entgegen nahm und sich explizit für weitere kritische Diskussion aussprach. Verliehen wurde der Preis für den Einsatz von Googles Diensten für die erste Version des Projekts Deutschland Spricht und für das weitreichende Tracking durch Google und Facebook auf Zeit.de.

Gelobt wurden die freie Ärzteschaft für ihren Einsatz gegen die Vernetzung von Gesundheitsdaten. Und IT-Admin Jens Ernst bekam Lob für das öffentlich machen von schlechter Arbeit beim Anschluss neuer Geräte in Arztpraxen, weshalb Patient*innendaten zeitweise schlecht geschützt im Netz standen. Damit habe er Risiken getragen und Verantwortung übernommen, wo er es nicht hätte tun müssen. Für Digitalcourage definitiv ein Vorbild und Motivation selbst aufmerksam zu sein, informiert zu bleiben und Missstände öffentlich zu machen.

Alle Big Brother Awards findet ihr auch im Netz zum Nachlesen oder Anschauen.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels war von Hessens “Ministerpräsident Peter Beuth” die Rede. Peter Beuth ist aber Innenminister in Hessen.