“Wer macht hier später eigentlich den ganzen Dreck weg?”

Thorsten Nagelschmidts fünftes Buch ist vor kurzem erschienen und heißt schlicht „Arbeit.“ Farina Grotzfeld unterhält sich mit Matteo Busch über den neuen Roman, der in einer Nacht in Berlin spielt.

 

F: Es geht um elf Frauen und Männer in Berlin, die dann arbeiten, wenn andere schlafen oder feiern. Das sind zum Beispiel ein Rezeptionist, ein Dealer oder eine Polizistin, die im Laufe der Nacht auch mal aufeinandertreffen.

M: Der erste Roman von Nagelschmidt war ja so eine Art Tourtagebuch mit seiner Band, später gab‘s dann einen Foto-Reiseband mit Nagels Erlebnissen und sein letzter Roman war eine Aufarbeitung seiner eigenen Tagebücher. Findet man in diesem Buch Nagel auch wieder in einer Rolle wieder?

F: Diesmal ist es nicht autobiographisch. Er selbst hat allerdings sehr viel recherchiert und ist bei vielen der beschriebenen Berufe nachts dabei gewesen und mitgefahren, um die Aufgaben möglichst exakt beschreiben zu können. Er erzählt das jetzt aber nicht reißerisch, sondern stellt einfach realistisch die Arbeit in einer Berliner Nacht vor Corona vor. Und weil er so genau hingeguckt hat, finden sich echt eine Menge Details aus den Jobs. Als Rezeptionist im Hostel hat er sogar ein paar Wochen wirklich gearbeitet.

M.: “Arbeit ist der erste große Berlin-Roman des 21. Jahrhunderts“. So hoch gelobt hat die Süddeutsche das Buch. Was ist damit genau gemeint?

F: Es geht nicht um das Berlin, wie es gerne dargestellt wird, also wie Touristen aus aller Welt es erleben wollen. In „Arbeit“ wird wirklich gut dargestellt, dass die Leute, um die es in diesem Buch geht den Dreck wegmachen, viel Mist erleben und das „andere“ Berlin sehen und leben. Das ist manchmal einfach wirklich so frustrierend, weil man gut sehen kann, wie ungerecht verteilt die guten und die schlechten Zeiten in so einer Nacht sind.

M: Das ist ja schon ein ziemlich spezielles Thema und in Corona-Zeiten wirkt so eine Partynacht natürlich wie aus einer anderen Welt. Was war für dich an diesem Buch besonders positiv?

F: Mir hat besonders gefallen, dass jede Figur eine ganz besondere Erzählweise bekommen hat. Beim Drogendealer zum Beispiel, der eigentlich schon länger wieder clean war, hat man nach einiger Zeit gemerkt, dass der Text nur noch aus irgendwelchen Aussagen von den Menschen aus seiner Wohnung besteht. Man konnte nicht mehr zuordnen, wer was sagt und hat quasi selbst die Überforderung des Dealers gefühlt. Und der greift dann auch kurz danach wieder selbst zum Koks.

M: Ich hab‘ ein schönes Zitat im Netz gefunden von dem schottischen Autor John Niven, einem Freund von Thorsten Nagelschmidt: “Music, photography, literature, art… Nagel can do it all. It makes me sick.“ – Wie geht’s denn jetzt weiter bei Nagel? Musik, Kunst, oder ein neues Buch?

F: Es ist jetzt vor kurzem ein neuer Song von seiner Band Muff Potter rausgekommen: „Was willst du“ heißt der, aber ein Album kommt wohl erstmal nicht. Dann gibt’s noch Nagels große Lesetour im Herbst und Winter – und ganz vielleicht ein oder zwei der ursprünglich geplanten Termine im Sommer. Wer da ein bisschen zocken will, kann sich zum Beispiel noch Tickets für den 8. Juni in Dortmund holen und die Daumen drücken, dass es stattfinden darf.

M: Erschienen ist Thorsten Nagelschmidts „ARBEIT“ im Fischer Verlag. Zu haben ist der Roman für 22 Euro in der schicken, gebundenen Version.